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Tilos die Scheue, die Schroffe
Wie schön Tilos das winzige Tilos mit seinen ca. 300 Einwohnern ist, erfährt nur, wer dort aussteigt. Tilos ist so scheu, dass selbst die Griechen sie kaum kennen. Die raue, felsige Küste lässt keine Urlaubsfreude erwarten. Wenn das Schiff in die Bucht des Hafenortes Livadia einläuft, sieht man zunächst nur einige neuere Häuser und eine lange, schmale Strandsichel. Dahinter liegen eine schmale Küstenebene und bis auf über 651 m Höhe ansteigende Berghänge, an denen noch die Terrassenfelder aus vergangenen Jahrhunderten zu erkennen sind. Entlang des Kieselsteinstrandes reihen sich ein paar kleine Hotels, mehr offenbart Tilos zunächst nicht. Kaum an Land, beginnen die Überraschungen. Es gibt einen Auskunftsschalter der Zimmervermieter, alle Unterkünfte werden auf Fotos präsentiert und nach Wunsch vermittelt. Die Insel zu erkunden ist kein Problem: Taxi, Linienbus, Auto bzw. Moped, d.h. für jeden eine passende Möglichkeit. Die Taxipreise für die verschiedenen Strecken hängen öffentlich aus, ein Linienbus pendelt zu jeder Schiffsankunft und auch sonst siebenmal täglich zwischen den Inselorten und -stränden hin und her, Autos und Mopeds können gemietet werden. Es wird überall, auf dem Hang hinter dem Hafen und hinter dem Strand, fleißig gebaut, da sich die Insel „touristisch entwickeln will“, aber zum Glück nichts erkennbar Größeres. Ausländische Touristen gibt es kaum, Tagesausflügler von anderen Inseln überhaupt nicht – Urlaubstage unter Griechen liegen vor dem Besucher. Wer nicht nur faul unter den Tamarisken am Kieselsteinstrand von Livadia dösen will, kann einiges unternehmen: Ein noch ganz intaktes und ein verlassenes Bergdorf verstecken sich hinter den Bergen, Burgen wollen erklommen, Kirchen und ein einzigartiges Kloster erwandert werden. Die Kiesstrände von Plaka und Eristos sind noch schöner als der von Livadia – und die Nächte kann man auf Tilos ganz einzigartig verbringen: bei griechischer Musik auf der Terrasse einer erst um Mitternacht öffnenden Bar im Geisterdorf Mikro Chorio.
Livadia und Umgebung
Das Zentrum fast jeden griechischen Dorfes, die Platia, ist im nur 110 Bewohner zählenden Livadia kaum mehr als eine erweiterte Straßenkreuzung mit Cafe, Kiosk, Postamt und Kartentelefonen. Livadia entstand erst nach 1930, als die Menschen das alte Dorf Mikro Chorio in den Bergen zu verlassen begannen. Für viele war das der erste Schritt zur Auswanderung nach Rhodos, Athen und auf ferne Kontinente. Das auffälligste Relikt aus jenen Jahren ist das Hafenamt nahe der Mole, ein typischer Bau der italienischen Besatzungszeit. 1932 entstand die Hauptkirche des Ortes, Agios Nikolaos, bei der die Uferstraße entlang der Bucht beginnt. Zweigt man von dieser hinter dem Restaurant Armenon und vor dem Hotel Eleni nach rechts ab, gelangt man nach 150 m zur modernen Kapelle Angios Panteleimon. In einer Ecke des Kirchhofs ist ein Stück Mosaikfußboden einer frühchristlichen Basilika umgittert. Bei genauem Hinsehen erkennt man Tierdarstellungen.
Die Uferstraße endet nach 2 km am kleinem Fischerhafen Agios Stefanos, dem mittelalterlichen Haupthafen der Insel. Direkt hinter dem Hotel beginnt ein deutlich sichtbarer Fußweg, der zum stark verschmutzten Kieselsteinstrand Agios Zacharias und dem oberhalb davon gelegenen, mittlerweile verlassenen und menschenleeren Weiler Gera führt.
Inselrundfahrt
Der größte Stolz der meisten Tilioten ist die seit 1998 vollständig zementierte bzw. asphaltierte Straße, die Livadia mit Mikro Chorio, Megalo Chorio, Agios Andonis, dem Kloster Agios Panteleimon im äußersten Westen der Insel sowie den Stränden Plaka und Eristos verbindet. Von Livadia geht’s steil ins Inselinnere hinauf. Schon nach 1,6 km weist ein Wegweiser auf eine nach links abzweigende Straße hin. Sie führt ins verlassene Dorf Mikro Chorio und dann 4,3 km weit an der Burgruine Stavrou Lambrou vorbei auf den Gipfel des 415 m hohen, mit Fernmeldeantennen bestückten Berges Amali.
Mikro Chorio
Mikro Chorio, auf deutsch >Kleines Dorf< wurde 1967 von seiner letzten Bewohnerin verlassen. Nach dem zweiten Weltkrieg haben viele Tilioten die Insel verlassen, heute hat durch den sachte einsetzten Tourismus sogar in den letzten Jahren ein geringer Zuwachs stattgefunden.
Die 220 aus Naturstein erbauten, meist zweigeschossigen Häuser verfielen und Ende der 70er Jahre musste man sich noch mühsam einen Weg durch dorniges Gestrüpp nach Mikro Chorio bahnen. Heute führt wieder ein gut befahrbarer Feldweg hin, erste Häuser wurden instand gesetzt, um sie fürs Wochenende oder die Ferien nutzen zu können. Trotzdem wird die Atmosphäre eines Geisterdorfes wohl noch länger erhalten bleiben. Aus hohlen Fensteröffnungen wachsen Öl- und Feigenbäume heraus, auf verwilderten Terrassen stehen alte Backöfen und Olivenölpressen. Die beiden Hauptkirchen des Dorfes, sind nur noch an Festtagen geöffnet. Dann kann man in der Pano Panagia Fresken aus dem Jahr 1787 sehen. Wenige Schritte oberhalb der Kirche sind schließlich noch Reste eines Wachtturms aus Johanniterzeiten erhalten.Tagsüber ist Mikro Chorio einfach nur ein Geisterdorf. Um Mitternacht (während der Hauptsaison) aber erwacht es zu Leben: Dann öffnet der -After Midnight Club-. Im Mondschein schweift der Blick von der Terrasse über die menschenleeren Häuser des Dorfs, die Felder und Hügel aufs Meer. Nach der ersten Stunde mit internationaler Musik lauscht man nur noch griechischen Klängen.
Elefantenhöhle
Plastikelefanten zieren Büros und Tavernen auf Tilos, denn Elefanten haben die Insel 1971 in die Schlagzeilen gebracht: In der Charkadio Höhle fanden Paläontologen massenweise Überreste von 1,50 m hohen Zwergelefanten, die noch vor 10.000 Jahren auf Tilos lebten. Auf der Hauptstraße aus Richtung Livadia kommend, fährt man an Mikro Chorio vorbei durch ein fruchtbares Hochtal voller Oliven- und Mandelbäume. Nach 4,2 km liegt links oberhalb der Straße, aber durch einen Taleinschnitt von ihr getrennt, die Burgruine Misaria. 1,5 km weiter biegt nach links unten ein guter Feldweg dorthin ab; der Wegweiser trägt die Aufschrift <Charkadio Cave> Er endet an einem Festplatz vor der dicht unterhalb der Burg gelegenen Charkadio -Höhle. Der Festplatz wird im Sommer für Folkloredarbietungen, Theatervorstellungen und Konzerte genutzt. Ein Brunnen spendet Trinkwasser. In der verschlossenen, aber von außen gut einsehbaren Höhle entdeckten Paläontologen 1971 in über 8 m dicken Ablagerungen vulkanischer Feinsedimente, die wahrscheinlich von einer Eruption auf Nissyros herrühren, etwa 2000 Knochen und Zähne verschiedener Tiere. Echsen und Fledermäuse waren ebenso darunter wie Hirsche und, als Sensation, Überreste des mediterranen Zwergelefanten: Wissenschaftliche Untersuchungen dieser Knochenfunde ergaben, dass die Minielefanten (1,2m) vor etwa 10000 Jahren auf Tilos lebten, dass die Insel damals also noch recht grün und waldreich gewesen sein muss.
Megalo Chorio das große Dorf
Kurz hinter der Abzweigung zur Elefantenhöhle erreicht die Hauptstraße den Ortsrand von Megalo Chorio. Das <große Dorf> ist mit seinen ca. 200 Einwohnern der größte Ort auf der Insel. Mit seinen Pensionen, Cafes und Tavernen ist er ein stimmungsvolles Standquartier für Urlauber, die nicht unbedingt unmittelbar am Meer wohnen wollen. Am unteren Ende der modern gestalteten, blumenreichen Platia des Dorfes steht gegenüber der Landarztpraxis ein kleines Museum, in dem neben Fotos von den Ausgrabungen in der Elefantenhöhle auch rekonstruierte Skelette zu sehen sind. Des schönen Ausblicks wegen lohnt es sich im Dorf bergan zu steigen, bis zur Kirche Panagia Theotokissas mit ihrem geometrischen Kieselmosaikboden auf dem Vorhof.Überragt wird Megalo Chorio vom Kastro, einer Burg aus der Johanniterzeit. Von der großen Zisterne am oberen nördlichen Dorfrand aus führt ein schmaler, im Sommer abends beleuchteter Pfad in etwa 30-45 Min. hinauf. Innerhalb der Burgmauern steht nur die Ruine einer Erzengelkirche.
Bucht von Agios Andonis
Die Inselhauptstraße führt an Megalo Chorio vorbei weiter zur Bucht von Agios Andonis. Der Weiler ist aus zweierlei Gründen von Bedeutung: Er bietet einen gut geschützten, kleinen Fischerhafen und besitzt eine Tankstelle welche jedoch meist wegen einer neueren an der Hauptstrasse geschlossen ist. Unmittelbar vor der Tankstelle sind in die flachen Küstenfelsen einige Menschenknochen eingebettet. Die Wissenschaft datiert sie ins 5. Jh. v. Chr. und vermutet, es könne sich um Überreste von Schiffbrüchigen handeln. Von Agios Andonis führt ein schmaler Pfad über brachliegende Terrassenfelder in etwa 30 Min. nach Megalo Chorio zurück. Er beginnt an der Uferstraße in Richtung Hafen. Man passiert zunächst die kleine weiße Kapelle Agios Andonis direkt an der Straße und dann drei Häuser. Dahinter zweigt ein holpriger Feldweg ab, der nach 100 m in einen Trampelpfad übergeht. Nach weiteren 500 m passiert er die zur Rechten neben einer Baumgruppe gelegene Kapelle Agios Geórglos tou Klasmá, eine von vielen Privatkapellen der Insel. Sie ist nur fünf Schritte lang und keine zwei Schritte breit, unverputzt und ohne Tür. Niemand kümmert sich mehr um sie, dabei ist sie ohne Zweifel alt: In der Apsis hat sich eine recht bäuerlich-grobe Darstellung Mariens mit dem Kind erhalten, den Altartisch trägt ein frühchristliches Kapitell, links und recht vom Eingang steht je ein brusthoher Orthostat aus dem Altertum. Vor einigen Jahren sind der alte Hafen, die Kaimauern und die Uferstraße neu instand gesetzt worden. Eine alte Windmühle wurde restauriert. Der Hafen ist mittlerweile so weit ausgebaggert, das Yachten und in den Sommermonaten Tagestouristen mit dem Delfin aus Kos kommen. An windstillen Abenden kann man in der kleinen Fischtaverne am rechten Ende der Bucht hervorragend sitzen und frisch gefangenen Fisch zu annehmbarem Preis essen. Die Sonne versinkt recht schnell hinter dem Vulkankrater von Nisyros und es ist ruhig und beschaulich.
Die Linkerhand oberhalb der Straße nach Agios Panteleimon sichtbare Klosteranlage von Kamari ist schön gelegen und sicher einen Abstecher wert. Das Wasser der Quelle wird von den Einheimischen sehr geschätzt. Von dort aus kann man, weiter der Straße nach Agios Panteleimonas folgend, zum Strand Plaka gelangen, der mit feinem Sand und klarem Wasser zum Schwimmen einlädt.
Kloster Agios Panteleimon
Fotogener als die Elefantenhöhle ist das Panteleimon Kloster im Inselnorden, das wie eine Trutzburg an einem Felsen hoch über der Küste klebt. Alljährlich ist es Ziel einer Massenwallfahrt mit fröhlichem Kirchweihfest und viel authentischer Folklore. In dieser Zeit düfte es schwierig werden auf Tilos ein Zimmer zu bekommen da viele abgewanderte Tilioten diese Zeit zum Besuch der Insel nutzen. Von Agios Andonis aus führt die Hauptstraße am Meer entlang. An der Kirche Kamarianí beginnt ein ausgeschilderter Wanderweg, der in etwa 90 Min. über die Berge zum Kloster Agios Panteleimon führt. Wer auf der Straße bleibt, passiert den Strand Plaka 300 m farbige Kieselsteine säumen die Bucht, hinter dem Strand spenden Bäume Schatten, unter denen zwischen Agaven im Sommer meist einige Urlauber zelten. Eine Taverne mit kühlen Getränken oder einem Imbiss sucht man dort jedoch vergebens.
Nun steigt die Straße bergan und schlängelt sich an steil ins Meer abfallenden Felsen entlang zum Kloster Agios Panteleimon. Ein Tor führt auf einen von Zypressen und Platanen beschatteten Vorhof, dessen Boden zu Zickzacklinien gelegte helle und dunkle Kieselsteine bilden. Aus einer steingefassten Quelle fließt kühles Wasser, mit dem auch die vielen Blumen im Vorhof bewässert werden. Gegenüber ragt ein mächtiger, rechteckiger Wehrturm aus Naturstein auf; dies ist der Eingang in den von hohen Mauern umgebenen, engen Klosterhof. Gleich die beiden ersten Türen links gewähren Zutritt zur Klosterkirche, deren Gewölbe mit vielen plastischen Engelsköpfen recht spätbarock wirkt. Die wenigen Wandmalereien im byzantinischen Stil passen dazu nicht: sieben Heilige in Medaillons, eine Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit und eine des Mönches Jonas, der ein Modell des Klosters in der linken Hand hält. Dieser Jonas gründete das Kloster um 1470; seine heutige Form und die Kieselsteinmosaikfußböden erhielt es im 19. Jh. Wer mag, kann bis auf die große Terrasse im zweiten Stockwerk des Zellentraktes hinaufsteigen. Der zivile Verwalter ist nicht immer im Kloster, deshalb ist es ratsam vorher im Ort zu fragen ob und bis zu welcher Zeit geöffnet ist, es wäre schade vor verschlossenem Tor zu stehen. Die Taxifahrer kennen die Öffnungszeiten auch und sind manchmal zusätzlich ausgezeichnete Fremdenführer mit gutem Englisch.
Bucht von Eristos
Der Sand-Kies-Strand von Eristos ist über 1 km lang und bis zu 30 m breit. Landseitig wird er von vielen Tamarisken gesäumt, unter denen auch freies Zelten üblich ist, gen Süden kann der Blick sich ungehindert in der Weite der Ägäis verlieren. Einige wenige Tavernen und Fremdenzimmer sind vorhanden; Megalo Chorio ist etwa 2 km entfernt. Wer viel Sand und eine große Badebucht haben möchte, ist hier richtig. In den Sommermonaten Juli und August kommen sehr viele griechische Studenten vom Festland zum Zelten. Dann ist der breite Sandstrand mit den Büschen und Tamarisken am Fahrweg etwas voller.